Produktentwicklung und Verwertung von Fleisch aus extensiver Tierhaltung - Damwild, Altschafe, Altziegen

Prof. Dr. Wolfram Schnäckel, Dipl. Agr. Dietlind Wiegand, Dipl. Ing. Dimitrinka Schnäckel, Dr. Margit Lorenz, Dr. Ina Bräunig, Dipl. Agr. Wulf Fischer

Förderung

Dieses Projekt wurde vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt gefördert.

Zielstellung und Anliegen des Projektes

Der Verzehr von Fleisch ist in Deutschland in den letzten Jahren vor dem Hintergrund einer Vielzahl von Skandalen stagnierend bzw. rückläufig. Fleisch aus extensiver Tierhaltung, "gewachsen" in natürlicher Umgebung, genießt dagegen einen unbeschadeten Ruf.

Unabhängig davon stehen gegenwärtig in der deutschen und europäischen Landwirtschaft umfangreiche Reformen an. Von ca. 1.180 Mio ha landwirtschaftliche Nutzfläche sind in Sachsen-Anhalt 166.000 ha Grünland. Die Statistiken des Landes wiesen 1993 einen Grünlandbestand von 132.100 ha Grünland aus und sprechen schon bei den damaligen Milch- und Mutterkuhbeständen von 40.000 - 60.000 ha für diese Tierbestände nicht erforderlichem Grünland. Zum heutigen Stand dürfte diese Fläche um ca. 30.000 ha höher anzusetzen sein.

Wenn davon ausgegangen wird, dass dieses Grünland wegen seiner Bedeutung für Natur Wasser und Boden erhalten werden muss, so besteht ein wachsender Bedarf an alternativen Nutzungsmöglichkeiten oder auch Kulturlandschaftsprogrammen. Hier bietet sich vor allem eine extensive Tierhaltung z. B. von Weidemastfärsen und -ochsen, von Schafen, Ziegen oder auch Damwild an.

Bei den letztgenannten Tierarten stellt sich neben einigen anderen Fragen vor allem die Frage des Absatzes des so erzeugten Fleisches. Generell ist das Fleisch dieser Tierarten vergleichsweise wenig auf dem deutschen Markt vertreten. Das hat seine Ursache vor allem in fehlenden oder "in Vergessenheit geratenen" Verzehrstraditionen. Wenn sich dabei das Fleisch jüngerer Tiere zwar im Wettbewerb insbesondere mit Importen behaupten muss, so darf insgesamt eingeschätzt werden, dass für die bisher erzeugten Mengen ein Markt vorhanden ist.

Schwieriger gestaltet sich die Frage nach der Verwertung des Fleisches von Alttieren, welches für eine kulinarische Weiterverwendung kaum einen Absatz findet. Betrachtet man allein das Bundesland Sachsen-Anhalt so kann nur bei Schafen, als der dabei bedeutendsten Tierart von einem Potential von etwa 35.000 Lämmern und 17.500 Altschafen ausgegangen werden. Wenn gegenwärtig nur etwa 2,6% der in Sachsen-Anhalt erzeugten Schafe auch in Sachsen-Anhalt erschlachtet werden, dann offenbart dies einerseits das Nichtvorhandensein von industriellen Schlachtmöglichkeiten, andererseits aber auch die fehlenden Märkte.

Verarbeitete Produkte von Schaf-, Ziegen- und Damwildfleisch, also Wurstwaren und Schinken sind aus regionaler Produktion im Prinzip nicht zu finden. Das hängt sowohl mit der Unsicherheit von Produzenten zusammen, ob derartige Produkte überhaupt einen Absatz finden, aber auch mit der Tatsache, daß kaum noch Rezepturen und technologisches Know-how bezüglich der Verarbeitung diesen Fleisches vorhanden ist.

An dieser Stelle setzt das vorliegende Projekt an, indem es das Ziel verfolgt, mit der Entwicklung absatzfähiger Produkte aus dem Fleisch von Alttieren (Schaf, Ziege und Damwild), einen Beitrag für die Existenzsicherung landwirtschaftlicher Unternehmen zu leisten. Dem vor allem handwerklich geprägten Fleischereigewerbe soll Know-how vermittelt und für den Verbraucher soll letztendlich eine Erweiterung des Produktangebotes verwirklicht werden.

Es war und ist nicht möglich, im Rahmen dieses Projektes alle Fragen, die sich im Bereich von Erzeugung und Vermarktung von Fleisch aus extensiver Tierhaltung in Sachsen-Anhalt ergeben, zu lösen. Dazu bedarf es weiterer Arbeiten, die gemeinsam von den Verantwortlichen in Landwirtschaft, Landespolitik, Ernährungsgewerbe und Wissenschaft getragen werden.

Das Interesse, welches dem Projekt schon während der Bearbeitungsphase sowohl von Bauern- und Schafzuchtverband, der Fleischerinnung, Landschaftspflegeverbänden aber auch und vor allem der breiten Öffentlichkeit entgegengebracht wurde, zeugt von der Notwendigkeit der Bearbeitung der dargestellten Problemstellung als einem Teilgebiet der Gesamtproblematik.

Dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt sei an dieser Stelle für die Förderung gedankt.

Empfehlungen und Schlussfolgerungen

Mit einem in den letzten Jahren sinkenden Fleischverbrauch, bedingt durch eine zunehmende Verunsicherung der Verbraucher bezüglich des Lebensmittels Fleisch, sinken auch potentielle Einnahmequellen der Landwirte. Besonders in Ostdeutschland mit einer überdurchschnittlichen Arbeitslosenrate und einer hohen agraren Produktion ist es deshalb notwendig, einer alternativen Landwirtschaft effektive Produktions- und Absatzwege aufzuzeigen.

Vor diesem Hintergrund fördert das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt ein Projekt zum Problemkreis der extensiven Tierhaltung, der Schlachtkörperverwertung und Produktentwicklung von Altschafen, Altziegen und Damwild.

Hauptanliegen ist es, einen Beitrag zur Stärkung der heimischen Tierproduktion bzw. zur Herstellung und Vermarktung von sicheren und gesunden alternativen Fleischprodukten zu leisten. Dabei gilt es jedoch eine Vielzahl von Fragestellungen zu lösen bzw. Hemmnisse aus dem Wege zu räumen. Dazu zählen im landwirtschaftlichen Bereich solche Aspekte wie beispielsweise

  • die im internationalen Vergleich geringen Konzentrationen an Tieren,
  • möglicherweise daraus resultierend die Problematik der Kostendeckung im Bereich der Schaf-, Ziegen- und Damwildhaltung, welche gegenwärtig nur in Verbindung mit Fördermitteln für den Landschaftsschutz möglich ist,
  • eine große Rassenvielfalt,
  • fehlende Erzeugergemeinschaften und
  • nicht ausreichend vorhandene oder nicht ausreichend ausgebaute Produkt- und Vermarktungswege.

Die vorab dargestellten Fragestellungen konnten im Rahmen dieses Projektes nicht gelöst werden. Dies war auch nicht Anliegen des Bearbeiterteams. Für die Projektgruppe war es Anliegen und Aufgabe eine Entwicklung von Fleischprodukten, vor allem Rohwürsten und Schinkenerzeugnissen aus Altschafen, Altziegen und Damwild mit einem Alter über 15 Monaten mit definierter Herkunft (Sachsen-Anhalt) vorzunehmen und damit Verwertungsmöglichkeiten für das Fleisch dieser Tiere aufzuzeigen.

Die Verfahrensführung zur Produktentwicklung wurde bis zur kleintechnischen Reife erprobt. Die entwickelten Produkte wurden durch folgende Qualitätsgrößen beurteilt:

  • ernährungsphysiologische und Inhaltsstoff-Analytik,
  • instrumentelle Sensorik,
  • Verfahrenskenngrößen.

Im Verlaufe des Projektes wurden so 12 verschiedene Sortimente Salami (je 4 auf Schaf-, Ziegen- und Damfleischbasis) und 6 Sortimente Schinken (je 2 für Schaf-, Ziegen- und Damwildfleisch) entwickelt.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß es für alle untersuchten Tierarten möglich ist, das Fleisch der Alttiere für diese Produkte zu verwerten. Besonders geeignet ist dabei das Fleisch von Schafen und Damwild. Obwohl möglich, so doch teilweise problembehaftet ist die Verwertung des Fleisches von Altziegen. Schinkenerzeugnisse neigen zur Zähigkeit, Ziegensalami weist ungünstigere Reifungs- und Trocknungseigenschaften auf als das Fleisch anderer Tierarten.

Unabhängig von diesen Bemerkungen kann festgestellt werden, daß alle entwickelten Produkte als ernährungsphysiologisch sehr günstige Erzeugnisse zu bewerten sind. Das zeigt sich in besonderem Maße am günstigen Eiweiß/Fett-Verhältnis im Vergleich mit traditionellen Erzeugnissen. Bei Damwildprodukten ist dies am stärksten ausgeprägt.

Verbraucher beurteilen die entwickelten Erzeugnisse überwiegend sehr positiv. Bei wenigen Verbrauchern ist aber auch ein Skepsispotential vorhanden. Dies dürfte mit einer ablehnenden Haltung gegenüber dem Fleisch dieser Tiere auf Grund der spezifischen sensorischen Eigenschaften zusammenhängen. Damit werden Ergebnisse einer Befragung bestätigt, welche zeigte, daß Wurst- und Schinkenerzeugnisse dieser Tierarten als vergleichsweise naturnahe Produkte bewertet werden, für die es zumindest bei einer Vielzahl vor allem jüngerer Verbraucher ein Akzeptanz- oder zumindest Neugierpotential gibt. Auf der anderen Seite stehen eine Reihe vor allem älterer Verbraucher diesen Erzeugnissen skeptischer gegenüber.

Sowohl die Ergebnisse der Verbraucherverkostung, als auch die der Befragung zeigen die Notwendigkeit, den Bekanntheitsgrad dieser Produkte durch Bewerbung, gegebenenfalls durch den Aufbau einer regionalen Marke zu erhöhen. Dies muß jedoch künftigen Arbeiten vorbehalten bleiben.

Zwei der neuen Produkte, eine Schafsalami und ein Schafschinken im pikanten Gewürzmantel wurden auch bei der zentralen bundesdeutschen Präsentation für Fleisch- und Wurstwaren bei der Deutschen Landwirtschaftlichen Gesellschaft in Kassel erfolgreich vorgestellt.