Interview mit Steffen Masik

Mixed Reality als Schnittstelle zum Menschen

Steffen Masik unterrichtet seit dem Sommersemester 2020 Virtual Reality / Augmented Reality (VR/AR) Management im berufsbegleitenden Studiengang Master Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Anhalt. Seine eigentliche Berufung ist neben dem Dozieren die Leitung des Mixed-Reality-Labors Elbedome in Magdeburg. Als Forschungszweig des Fraunhofer-Instituts werden im größten VR-Labor Europas komplexe, interaktive 3D-Visualisierungen verwirklicht. Steffen Masik (SM) ist also ein Spezialist auf seinem Gebiet und somit ein großer Gewinn für den berufsbegleitenden Studiengang. Wir haben mit ihm über sein Fachgebiet und dessen Bedeutung für die Studierenden gesprochen.

Herr Masik, herzlich willkommen an der Hochschule Anhalt, vielleicht lernen wir Sie ein wenig besser kennen. Stellen Sie sich bitte einmal vor.
SM: "Ich habe in Magdeburg Computervisualistik studiert und arbeite nun seit 15 Jahren an der Anwendung von Virtual und Augmented Reality - oder allgemeiner Mixed Reality - in ganz verschiedenen Bereichen der Industrie. Fast ebenso lange betreue ich mit dem Elbedome eines der größten Mixed Reality Systeme der Welt; mittlerweile in der zweiten Evolutionsstufe. Die Fraunhofer-Gesellschaft fokussiert sich auf die angewandte Forschung und somit bin ich auch Forscher und Anwender gleichzeitig. Während der Elbedome aus der Sicht eines Forschers ein Labor ist, um neue Technologien und Verfahren zu erproben, ist er aus Sicht des Anwenders ein Erlebnis-, Planungs-, Kreativ- oder Lernraum. Diese Vielseitigkeit fasziniert mich. Meine Freizeit verbringe ich aber trotzdem lieber wieder ganz real mit meiner Familie."

Spätestens seit Industrie 4.0 stehen Unternehmen unter dem Druck der Digitalisierung für eine flexiblere Produktion. Ein Baustein des Studiums ist das VR/AR Management. Herr Masik, Sie sind Fachmann auf Ihrem Gebiet, warum ist es wichtig diesen Bereich zu vertiefen?
SM: "Durch die zunehmende Digitalisierung sämtlicher Aspekte der Planung und des Betriebs von Produktionssystemen steigt natürlich auch die Komplexität. Zu den Modellen aus der Planung kommen Messdaten von Tausenden einzelner Mess- und Sensorsysteme von Maschinen und Anlagen sowie Daten aus den IT-Systemen des Unternehmens. Gemeinsam bilden sie ein sogenanntes cyberphysisches System oder - vereinfacht gesagt - einen digitalen Zwilling. Menschen benötigen Schnittstellen zu diesem System, die schnell bestimmte Informationen herausfiltern und diese verständlich und interaktiv darstellen können. Neben künstlicher Intelligenz zur Filterung kann Mixed Reality hier in Zukunft eine zentrale Rolle als Schnittstelle zum Menschen übernehmen."

Woher kommt Ihre Begeisterung für ihr Spezialgebiet und wohin geht der Trend?
SM: "Der entscheidende Vorteil von Mixed Reality ist die Skalierbarkeit. Die vorgesehene Anwendung entscheidet, ob beispielsweise für das Marketing mithilfe einer VR-Brille, die sowohl visuelle als auch akustische Reize der Realität ersetzen kann, Begeisterung ausgelöst und Emotionen geweckt werden sollen oder ob die Realität mittels AR-Brille nur um wenige wegweisende Elemente ergänzt werden soll, um möglicherweise die Orientierung in einem Lager zu verbessern. Das zugrundeliegende Modell kann immer dasselbe sein. In Kürze werden AR-Brillen unsere ständigen Begleiter sein und unsere Wahrnehmung kontextabhängig um nützliche und weniger nützliche Informationen erweitern. Bis dahin gibt es aber noch ein paar technische und ganz menschliche Hürden zu überwinden."

Der Abschluss oder das Studium zum Master Wirtschaftsingenieurwesen ist für viele Studierende ein Karrieresprungbrett. Welche Rolle spielt Virtuelle Realität für angehende Wirtschaftsingenieure?
SM: "Mixed Reality kann dafür sorgen, dass verschiedene Fachleute im Unternehmen das gleiche Verständnis einer Aufgabenstellung bekommen, besser und sicherer miteinander auch über komplexe Sachverhalte kommunizieren und auf dieser Basis abgesicherte Entscheidungen treffen können. Durch ihre interdisziplinäre Ausbildung können Wirtschaftsingenieure in Unternehmen gerade die komplizierte Brücke zwischen Ingenieuren und Betriebswirten schlagen und die unterschiedlichen Ziele, Sichten und Herangehensweisen verstehen und zusammenführen. Mixed Reality kann diese Aufgabe als Werkzeug vielseitig unterstützen."

Sie haben Ihre erste Vorlesung geschafft, wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf der ersten Veranstaltung, die Sie aufgrund der aktuellen Situation auch gleich online durchgeführt haben?
SM: "Online-Vorlesungen sind natürlich eine Herausforderung, da der Dialog mit den Studierenden stark eingeschränkt ist und man nur sehr schwer das Gefühl dafür bekommt, ob man zu einem Schwerpunkt bereits genug gesagt hat oder ihn doch noch mehr vertiefen sollte. Mixed Reality ist eben auch ein sehr praktisches Thema, das erst durch Demonstration beispielsweise mit einer VR-Brille oder einem AR-Headset und durch das persönliche Erleben besonders einprägsam und nachvollziehbar wird. Ich hoffe, dass wir beim nächsten Mal nicht darauf verzichten müssen."

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Masik!