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Mobilitätswende: Wie kommen wir smart durch den ländlichen Raum?

  • Symbolbild mit ländlicher Gegend, Datennetz und autonom fahrenden Autos

Unkompliziert und auch noch klimaneutral von A nach B zu kommen oder etwas zu transportieren, wird zukünftig vor allem für kleine Städte zur Herausforderung. Die Idee des autonomen Fahrens könnte eine Brücke schlagen zwischen dem Bedürfnis mobil zu sein und der fehlenden Verkehrsinfrastruktur, wie sie für urbane Räume typisch ist. Ein Team der Hochschule Anhalt arbeitet an den Hürden dahin: Ready4Robots?

Im Moment werden autonome Systeme vor allem in Ballungsgebieten getestet. Ich sehe den größten Bedarf im ländlichen Raum und diesen Schritt wollen wir jetzt in unseren nächsten Projekten gehen.

Prof. Dr. Sebastian Trojahn

Herr Prof. Trojahn, wem könnten autonome Systeme wie smarte Verleihstationen für Räder oder selbst fahrende Roboter auf welche Weise zukünftig nützen? Zum Beispiel in einer Stadt wie Köthen?

Ich hoffe ja auf die eierlegende Wollmilchsau. Jeder von uns muss sich bewegen und jeder bestellt etwas. Selbst wenn wir noch fit sind, müssen wir überlegen, wie wir kostengünstig von A nach B kommen. Wenn wir nicht mehr ganz so fit sind, dann freuen wir uns, dass wir überhaupt von A nach B kommen und das Ganze auch noch sicher. Und denken Sie an unsere Bestellungen bei Online-Lieferdiensten, auch diese Ware muss in Zukunft, zu einem bezahlbaren Preis und relativ schnell, den Weg zu uns nach Hause finden. Wir müssen schon jetzt an den Fachkräftemangel denken und hier geeignete Zustelllösungen schaffen.

Könnte man das Konzept des autonomen Fahrens auch auf umliegende, noch kleinere Ortschaften erweitern?

Im Moment werden autonome Systeme vor allem in Ballungsgebieten getestet. Um dort zu lernen. Zum Beispiel, wie man mit Ampeln, Kreisverkehren oder komplizierten Straßenführungen umgeht. Ich sehe den größten Bedarf im ländlichen Raum und diesen Schritt wollen wir jetzt in unseren nächsten Projekten gehen. Autonome Systeme werden schneller und sicherer, der rechtliche Rahmen wird spezifiziert und jetzt können die Systeme Zubringer für die Infrastruktur der Metropolen werden.

Was schätzen Sie? Wie weit sind wir von einem solchen Szenario entfernt? Gibt es Vorbilder, an denen Sie sich orientieren?

Ich denke stufenweise. In den nächsten 5 Jahren werden wir autonome Systeme sehen, die durch einen Leitstand fremdüberwacht werden. Dazu brauchen wir eine gute 5G- oder WLAN-Abdeckung und dann kann eine Person dem autonomen System helfen, wenn es aus einer brenzligen Situation nicht mehr herausfindet, indem durch eine Fernsteuerung eingegriffen wird.

Für die Zeit danach kann ich noch kein verbindliches Szenario beschreiben. Wir sehen an den vielen, großen Playern auf dem Markt des autonomen Fahrens, dass die Umsetzung  nicht trivial ist. Ich glaube, wir werden daher noch einige Zeit auf einem Stand verharren, bei dem wir vorher eingelernte, vordefinierte Strecken fahren und dieses Netz sukzessive erweitern. Wenn wir das geschafft haben, sind wir schon einen großen Mobilitäts- und Logistiksprung weiter.

Die ersten Lastenräder für die Hochschule Anhalt am Standort Köthen: Im November 2023 stellten Prof. Sebastian Trojahn und sein Team ihr Vorhaben der Öffentlichkeit vor.

Was ist bis dahin zu tun? An welchen Hürden arbeiten Sie im Projekt „Ready4Robots“?

Im Projekt „Ready4Robots“ fokussieren wir uns auf Zustellprozesse – etwa  aus Online-Lieferungen -  und wollen uns mit unseren Robotern auf dem Fuß- und Radweg bewegen. Und genau da ist die Datenlage noch sehr schlecht. Wie hoch ist die Bordsteinkante? Welche Ampel gilt für Fußgänger? Befindet sich der Roboter gerade auf der Straße oder auf dem Fußweg? Das sind Fragen, die wir beantworten müssen und wollen zuerst eine digitale Karte von Köthen erstellen, damit wir uns auf dieser feinen Karte navigieren können. Das heißt, wir brauchen zuerst Daten und Transparenz, dann können wir unsere Roboter fahren lassen.

In einem ersten Schritt wurden in Köthen an verschiedenen Stellen Lastenräder zum Verleih zur Verfügung gestellt, die mit Sensoren ausgerüstet sind. Konnten Sie darüber bereits Daten sammeln?

Unser Partner evhcle erweitert die Flotte sukzessive und wir sehen, dass die Fahrräder aktuell gut angenommen werden. Wir nehmen bereits unterschiedliche Daten auf, wollen aber mit einer neuen Generation von Sensoren (Stichwort LiDAR-Sensoren für Abstand, Erschütterung etc.) bald noch mehr und genauere Daten generieren. So können wir uns Stück für Stück an die Datenqualität heranpirschen, die wir benötigen.

Sollen die smarten Verleihstationen auch über die Projektzeit hinaus bestehen bleiben?

Das können wir leider nicht bestimmen. Das hängt vorrangig davon ab, ob sich für unseren Partner ein dauerhaftes Geschäftsmodell daraus entwickelt und die Räder weiter gut nachgefragt werden. Wir haben die Räder erst mal nur bis zum Ende unseres Projektes „gebucht“, hoffen aber auf einen weiteren positiven Impuls in Richtung nachhaltiger und smarter Mobilität und Logistik.

Mehr zum Projekt "Ready4Robots":

Die Forschung wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) noch bis 2025 gefördert. Offizieller Start war im Juni 2022. Prof. Trojahn und sein Team arbeiten mit verschiedenen Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft an dem Thema. Ihre Erkenntnisse sollen in ein umfangreiches Konzept für Mobilitäts- und Logistikanwendungen im ländlichen Raum wie den ehemaligen Braunkohlegebieten fließen. Zu dem Projekt gehören außerdem: Technische Universität Bergakademie Freiberg, OvGU, Hochschule Merseburg, TINK GmbH, DigiPL GmbH, CyFace GmbH, PTV Planung Transport Verkehr AG, Endiio Engineering GmbH, Landkreis Nordsachsen.

Zur Website des Projekts auf den Forschungsseiten der Hochschule Anhalt.

Zur Website des Verbundprojekts bei der TU Freiberg.

Prof. Dr. Sebastian Trojahn

... ist am Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Anhalt Professor für Betriebswirtschaft, insbesondere Supply Chain und Operations Management sowie Digitalisierung. "Ready4Robots" markiert nur einen Teil seiner Forschungsfragen. In "be-automated" widmete er sich bereits widmet er sich automatisierten Shuttlebussen auf der Basis von Open Data. Zu seinen aktuellen Projekten gehört auch "TRANSFORM" zum Thema digitale Landwirtschaft. Mehr dazu auf seiner persönlichen Seite.