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Nachhaltiger Beton: Straßenbau im Klimawandel

  • Symbolbild für das Thema nachhaltiger Beton zeigt, wie Beton von einem Laster auf die Straße rutscht

Wetterextreme auf der einen Seite. Klimaneutralität auf der anderen. Der Straßenbau steht vor großen Herausforderungen. Forschende der Hochschule Anhalt suchen mit ihrem Projekt "Klikadiconcret" nach markt- und klimagerechten Lösungen für die Bauwirtschaft. 

"Es geht uns zum einen um die Entwicklung eines neuen Klimaschrankkonzepts, um Material wie Beton bildbasiert und mit Unterstützung von Software genauer vermessen zu können", erklärt Steffen Hofmann vom Fachbereich Architektur, Facility Management und Geoinformation. "Zum anderen suchen wir nach alternativen Zusatzstoffen für Zement." Die Forschungsgruppe Straßenbau arbeitet inzwischen seit mehr als 25 Jahren an Lösungen, die sicherer und besser sind. Die Idee zu dem ZIM-geförderten Projekt "Klikadiconcret" unter Leitung von Prof. Lothar Koppers und Prof. Wolfgang Weingart ist aus einer früheren Forschungskooperation entstanden.

Den gefährlichen "Autobahn-Blow-ups" auf der Spur

Um den Alterungsprozess verschiedener Straßenbaumaterialien zu bestimmen, machte das Forschungsteam aus Dessau vor einiger Zeit eine interessante Entdeckung: "Die optische Erfassung der Betonplatten im Klimaschrank zeigte, dass das Material auch im Mikro- und Nanobereich Feuchtigkeit speichert und deshalb nur sehr langsam wieder abgibt", erklärt der Bauingenieur. "Und das könnte eine Ursache für das schlagartige Aufwölben und Brechen von Beton auf der Autobahn sein." Solche gefährlichen Blow-ups treten seit etwa zehn Jahren immer wieder auf. Bislang ist nur sicher, dass sie bei Wärme entstehen. "Interessanterweise aber hauptsächlich im Frühjahr. Dass die Feuchtigkeit bei solchen Schäden eine viel größere Rolle spielt als die Temperatur könnte eine Erklärung dafür sein."

Klimaschrank und Schaumglas

An ihrer eher zufälligen Entdeckungen wollten Prof. Lothar Koppers und sein Team dranbleiben und beantragten mit Partnern aus ihrem Wissenschafts- und Unternehmernetzwerk das Projekt "Klikadiconcret". Mit den Projektzielen verbinden die Forschenden wegweisende Implikationen für die Bauwirtschaft, insbesondere den Straßenbau.

"Es fallen Unmengen an hochwertig aufbereitetem, kontrolliertem und wieder verwertbarem Material an, das wir aber nach wie vor nur zu einem Bruchteil nutzen."

Steffen Hofmann

Mehr Wissen aus optischen Messverfahren für Baumaterial

Ein erstes Projektziel ist die Entwicklung eines neuartigen Klimaschranks. In solchen geschlossenen technischen Systemen lassen sich verschiedene Bedingungen simulieren - für Proben aus Lebensmitteln oder eben Baustoffen. "Wir wollen aus drei Dimensionen sehen, wie sich der Körper verformt, etwa unter bestimmten Feuchtigkeitsaufschlägen. Bislang wurde immer nur die Längsausdehnung gemessen", erklärt Steffen Hofmann. Dazu erhält der Klimaschrank ein äußeres Schienensystem, auf dem eine Kamera bewegt werden kann. Die Fotos werden in einer Software wiederum zusammengeführt und ausgewertet. Daraus ließen sich Erkenntnisse für herkömmliche Betonmischungen ableiten, aber auch für zukünftige.

Mehr Recycling für nachhaltigen Beton

Nicht mehr genutzte und aufbereitete Baustoffe wiederzuverwenden, ist in Deutschland durchaus möglich und wird auch praktiziert. Allerdings längst nicht in allen Bereichen. Im Projekt "Klikadiconcret" geht es darum, Zement durch Schaumglas, Ziegel, recycelten Beton und anderes Material zu ersetzen. "CO2 entsteht in der Bauwirtschaft vor allem bei der Herstellung von Zement, den man auf diesem Weg reduzieren könnte", erklärt Steffen Hofmann. Idealerweise ließe sich darüber auch der Bauprozess optimieren – etwa durch die schnellere Aushärtung des Gemischs. Dafür werden die Stoffe aus der Recyclingwirtschaft sehr fein gemahlen und in den Laboren unter anderem mit Hilfe von Mixern aufbereitet. Auch der neu entwickelte Klimaschrank soll dabei zum Einsatz kommen und die Anwendbarkeit dieser Materialen beweisen.

Mehr Überzeugungsarbeit für innovativen Straßenbau

Mit einem alternativen Schaumglas-Ziegel-Beton-Gemisch als Baustoff für Straßendecken betreten Prof. Koppers und sein Team ein komplett neues Terrain. Vor dem flächendeckenden Einsatz müsste es behördlich genehmigt, zertifiziert und auf dem Markt durch ein Unternehmen eingeführt werden. Das ist die eher langfristige Perspektive ihres Projekts, derer sie sich bewusst sind. Zur kurzfristigen gehört - neben den Erkenntnissen aus dem neuen Klimaschrank - Aufklärung: "Es fallen Unmengen an hochwertig aufbereitetem, kontrolliertem und wieder verwertbarem Material an, das wir aber nach wie vor nur zu einem Bruchteil nutzen", sagt Hofmann mit Blick auf die vergangenen Jahre. Auch die Dessauer Forschungsgruppe habe sich bereits vielfach um Gespräche mit Verantwortlichen bemüht. Und doch werde bei (zu) vielen Bauprojekten auf Material aus der Natur statt auf Recyclingbaustoffe gesetzt. "Und ich denke, dass jedes neue Projekt und jeder neue Beweis auch einen Effekt darauf haben kann, dass wir beim Bauen in größeren Dimensionen umdenken und dem Klimawandel gerecht werden." Vieles sei theoretisch, aber auch praktisch schon möglich, so Hofmann.

Das Projekt "Klikadiconcret"

Seit dem 1. August 2023 fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) das Forschungsvorhaben "KLIKADICONCRET" aus dem Programm ZIM-Innovationsnetzwerke. Die Abkürzung ZIM steht für Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand. Neben Dipl.-Ing. Steffen Hofmann ist auch Dipl.-Ing. Heinzpeter Lüdike beteiligt. Prof. Dr. Lothar Koppers verantwortet die Leitung des dreijährigen Projekts. Weitere Partner sind: die Feutron Klimasimulation GmbH in Langenwetzendorf, Leibniz-Institut für Photonische Technologien e.V. (IPHT) in Jena und die FBL Fläming Baustofflabor GmbH in Treuenbrietzen.

Nachfragen direkt zum Artikel können gestellt werden an: Dipl.-Ing. Steffen Hofmann, Tel.: +49 (0) 340 5197 1592, steffen.hofmann(at)hs-anhalt.de.