Projekt

Prof. Dr. Katja Kröller - Agrarmanagement, Ernährungstherapie, Ernährungstherapie, Ökotrophologie Forschungsprojekt

Systemgastronomie in Deutschland - Analyse des Speiseangebotes und des Nutzungsverhaltens junger Verbraucher

Hintergrund und Zielsetzung

Die Systemgastronomie ist ein stetig wachsendes Segment der Außer-Haus-Verpflegung, welches durch Standardisierung und einheitlichen Organisationsstrukturen gekennzeichnet ist. Die Speisen weisen häufig einen hohen Verarbeitungsgrad auf, sind schnell zubereitet und für den direkten Verzehr bestimmt. Zu den umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland gehören McDonalds, Burger King, Vapiano und Nordsee (Bund der Systemgastronomie, 2019).  

Besonders bei jungen Konsumenten ist die Systemgastronomie beliebt. Dies wird im Hinblick auf die Entstehung ernährungsbedingter Krankheiten von Gesundheitsexperten als kritisch gesehen. So wird eine häufige Nutzung von Systemgastronomie als gesundheitlicher Risikofaktor betrachtet.  

Die bisherigen repräsentativen Studien zum Ernährungsverhalten in Deutschland lassen keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Verzehr von Angeboten der Systemgastronomie zu. Vor diesem Hintergrund ist es Ziel unseres Projektes, eine Analyse des Speiseangebotes der Systemgastronomie mit einer repräsentativen Untersuchung des Nutzungsverhaltens von jungen Konsumenten zu verbinden. So können wir belastbare Daten zur Nährstoffzufuhr durch Speisen aus der Systemgastronomie sowie den indivuellen Motiven für die Inanspruchnahme gewinnen. Darauf aufbauend, werden wir Ansatzpunkte und Handlungsoptionen für zukünftige Interventionen im gesundheitlichen Verbraucherschutz ableiten. Neben der ernährungsphysiologischen Bewertung des Speiseangebotes werden wir zudem eine Einschätzung der Systemgastronomie auf Basis von Nachhaltigkeitskriterien vornehmen.

Vorgehensweise

Um die Analyse des Speisenangebotes der Systemgastronomie mit dem individuellen Nutzungsverhalten der Verbraucher in Zusammenhang zu bringen, werden wir vier Hauptbereiche interdisziplinär bündeln. Dabei wenden wir einen Methoden-Mix aus qualitativen und quantitativen Ansätzen an, der neben der Gruppe der Konsumenten auch andere Akteure (z.B. Anbieter von Systemgastronomie, Ernährungswissenschaftler) berücksichtigt.

  • Verpflegungsmanagement: Erfassung und Analyse von Speisen und Gerichten auf Basis der von den Unternehmen zur Verfügung gestellten Informationen und eigenen Recherchen.
  • Ernährungsphysiologie: Vergleich und Bewertung der betrachteten Speisen aus ernährungsphysiologischer Sicht durch Erfassung und Vergleich der Energie- und Nährwertgehalte der Gerichte und Menüs. Bewertung des Angebotes aus Sicht der ökologischen Nachhaltigkeit auf Basis eines Kriterienkatalogs.
  • Lebensmittelchemie: Überprüfung und Ergänzung der vorhandenen
    Nährwertkennzeichnungen durch eigene chemische Analysen von Produktmustern.
  • Ernährungspsychologie: Analyse des Nutzungsverhaltens sowie seiner expliziten und impliziten Einflussfaktoren durch qualitative Fokusgruppen, durch Aktivitätsprotokolle und eine repräsentative Umfrage ergänzt durch projektive Messverfahren. 

Projektlaufzeit

Januar 2022 – Januar 2024

Projektleitung

Prof. Dr. Katja Kröller

Projektbeteiligte

Prof. Dr. Margot Dasbach

Dr. Claudia Meißner

B.Sc. Mario Meixner

Prof. Dr. Wilfried Rozhon

Dr. Sabine Will

Projektförderung

Die Studie wird finanziell gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Förderkennzeichen 2821HS004.

Arbeitsschritte

Arbeitsschritt 1:

Erfassung des Speisenangebots ausgewählter Unternehmen der Systemgastronomie

Auf Basis einer Marktübersicht aller Unternehmen und Produktgruppen der Systemgastronomie in Deutschland haben wir 14 Unternehmen für die weiteren Untersuchungen ausgewählt. Die bewusste Auswahl erfolgte unter anderen auf Basis von Marktanteilen und Speisegruppen.

Zur Erfassung des Speiseangebots der Unternehmen wurde eine detaillierte Datenbank als Produktinformationssystem aufgebaut. Die Datenbank umfasst mehr als 2.800 Produkte aus 18 Speisekategorien.

Arbeitsschritt 2:

Bewertung des Speiseangebots nach ernährungsphysiologischen und Nachhaltigkeitsbezogenen Kriterien

Zu den verfügbaren Produkten sammeln wir Portionsgrößen sowie Energie- und Nährwertgehalte. Bei einem Teil der Produkte führen wir auch chemische Analysen durch, um diese Angaben zu erhalten bzw. zu prüfen. Mit dieser Datenbasis führen wir ernährungsphysiologische Vergleiche zwischen den Speisen und Vergleiche zwischen den Restaurantketten durch. Die besonders häufig verzehrten Speisen und Menüs werden mit den ernährungsphysiologischen Empfehlungen abgeglichen.

Zusätzlich zur ernährungsphysiologischen Bewertung erfolgt auf der Grundlage eines Kriterienkataloges (z.B. Fleischangebot, Verpackung, Lieferwege, Regionalität) eine Bewertung aus Sicht der ökologischen Nachhaltigkeit.

Arbeitsschritt 3: 

Erhebung des Nutzungsverhaltens junger Verbraucher von Systemgastronomie

Um die repräsentativen Verbraucherbefragungen qualitativ vorzubereiten, haben wir im Juni 2022 drei Online-Fokusgruppen durchgeführt. Dabei haben wir mit insgesamt 15 jungen Konsumenten über deren Besuche und Bestellungen in der Systemgastronomie diskutiert.

Eine quantitative Online-Befragung der 16-34-Jährigen folgte im Herbst 2022. Aus dieser Befragung mit knapp 1.000 Teilnehmern leiten wir repräsentative Angaben zur Nutzung von Systemgastronomie ab. Diese Erkenntnisse werden von Daten einer Tagebuchstudie ergänzt. Über einen Zeitraum von 4 Wochen haben dafür 290 Teilnehmer ihre Besuche und Bestellungen in der Systemgastronomie protokolliert.   

Arbeitsschritt 4:

Erfassung von Einstellungen und Motivation junger Verbraucher zur Systemgastronomie

Einstellungen sind wesentliche Treiber für das Ernährungsverhalten und somit auch für die Nutzung von (System-)Gastronomie. Wir messen sie im Rahmen von qualitativen Fokusgruppen und einer Online-Befragung im Sommer 2023. Ergänzt werden diese Untersuchungen mit einem Impliziten Assoziationstest von mindestens 100 jungen Verbrauchern. Dieser Test ermöglicht es, unbewusste (implizite) Einstellungen zu messen, denen ein bedeutender Einfluss bei spontanen Entscheidungen der Menüwahl zugeschrieben werden.

Arbeitsschritt 5: 

Ableitung von Handlungsempfehlungen

Aus der ernährungsphysiologischen Bewertung des Angebots der Systemgastronomie und den Nutzungsverhalten der jungen Verbraucher leiten wir Handlungsempfehlungen für einen gesundheitlichen Verbraucherschutz ab. Gestützt werden die Empfehlungen durch Interviews mit Experten u.a. aus den Bereichen der Außer-Haus-Verpflegung, Produktentwicklung und Ernährungsmedizin.
 

Ergebnisse:

Wir haben festgestellt, dass die Produkte der Systemgastronomie oft zu viel Energie, Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker sowie Salz enthalten, und zu wenig Ballaststoffe, was nicht den aktuellen ernährungsphysiologischen Empfehlungen entspricht. Die vegetarischen und veganen Angebote sind in den Nährwerten kaum von den fleischhaltigen Varianten zu unterscheiden und werden von den Verbraucher:innen nur selten gewählt. Wir haben auch herausgefunden, dass die Nachhaltigkeitsbemühungen der Systemgastronomie nur punktuell vorhanden sind. Außerdem wurde analysiert, wie die Verbraucher:innen die Systemgastronomie nutzen und welche Einstellungen und Motivationen sie haben. Wir haben gesehen, dass die Nutzung der Systemgastronomie vor allem durch Bequemlichkeit, Preis und Geschmack bestimmt wird. Gesundheits- und Nachhaltigkeitsaspekte spielen eine untergeordnete Rolle. Die Verbraucher:innen neigen dazu, gesunde Lebensmittel als weniger schmackhaft (unhealthy-tasty-intuition) und preisorientierte Anbieter als weniger gesund und nachhaltig einzuschätzen. Die Verbraucher:innen sind zudem impulsiv und anfällig für Werbe- und Rabattaktionen. Basierend auf unseren Ergebnissen haben wir Handlungsempfehlungen für einen gesundheitlichen Verbraucherschutz abgeleitet. Diese umfassen unter anderem die Ausweitung der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie auf alle Segmente der Systemgastronomie, die Anwendung von impliziten und affektiv wirksamen Nudging-Strategien (ernährungsphysiologisch günstigere Speisen als die einfachste und günstigste Wahl), die Schaffung von wirtschaftlichen Anreizen für gesündere und nachhaltigere Speisen sowie Verpackungen, und die Einschränkung der Ansiedlung von Systemgastronomie in der Nähe von Schulen und Bildungseinrichtungen für junge Erwachsene.