Projekt

Stefan Fischer - Geoinformationssysteme Masterarbeit

Entwicklung und Aufbau einer Prozesskette von den Rohdaten bis zur Darstellung und Auswertung von Deichüberflutungsszenarien in Baden-Württemberg

Einreichung der Arbeit: Januar 2019

Im Hochwasserfall bilden Deichüberflutungsszenarien ein wichtiges Werkzeug zur Bewertung der hydrologischen Situation. Dabei erweist es sich als eine große Herausforderung, solche Szenarien in Raum und Zeit, in einer performanten und effizienten Darstellung zu präsentieren und eine praxisorientierte Auswertung zu gewährleisten.
Bisher vorliegende Lösungen zu dieser Thematik haben oft den Nachteil, dass Karten, Ansichten und Animationen jeweils für einen bestimmten Zweck maßgeschneidert sind und keine umfangreicheren Abfrage- und Auswertemöglichkeiten zulassen.

Ziel der Arbeit war es, in Zusammenarbeit mit der in Freiburg im Breisgau ansässigen Gesellschaft für Angewandte Hydrologie und Kartographie mbH eine Prozesskette von den Rohdaten bis zur Darstellung und Auswertung von Deichüberflutungsszenarien für ausgewählte Testgebiete in Baden-Württemberg zu erarbeiten.
Als Datengrundlage dienten hierbei Simulationsergebnisssse des von der Hochwasser-Vorhersage-Zentrale Baden-Württemberg betriebenen 2D-Flutungsmodells FLUMORE, die sich auf eine potenzielle Überflutungsfläche östlich des Rheins von Rheinkilometer 330 bis 371 und einen zweiwöchigen Zeitraum im Februar 2002 beziehen.

Zunächst wurden verschiedene in Betracht kommende Soft- und Hardwarekomponenten vergleichend untersucht, um die Frage zu klären, welche davon für die vorliegende Aufgabenstellung am besten geeignet sind.
Hierbei wurde festgestellt, dass die Verwendung des Esri ArcGIS Organisationsaccounts zusammen mit dem Web AppBuilder für ArcGIS im Vergleich zu anderen Möglichkeiten (cloudbasierte Plattform Carto, freie JavaScript-Bibliothek Leaflet, Geoinformationssystem Cadenza in der Desktop- und Web-Version, ArcGIS Pro) insbesondere entscheidende Vorteile bei der Speicherung, Verarbeitung und Visualisierung zeitbezogener Daten bietet, weshalb die konkrete technische Realisierung der Prozesskette auf dieser Grundlage erfolgte.

Die Entwicklung der Prozesskette beinhaltete mehrere Teilschritte.
Zunächst erwies es sich als erforderlich, die vorliegenden Rohdaten in einer relationalen Datenbank abzulegen. Hierfür wurde das Datenbankmanagementsystem Oracle Database 12 zusammen mit der zusätzlich aufgebauten Esri Server Anwendung ArcSDE benutzt.
Die Rohdaten umfassten Geometriedaten zur Beschreibung von Überflutungsflächen in den Testgebieten sowie Sachdaten, die den vorliegenden Berechnungsergebnissen des 2D-Flutungsmodells FLUMORE entsprachen. Speziell zur Überführung der Sachdaten in die Datenbank wurde ein Script in der Programmiersprache Python entwickelt.

Um eine kombinierte Verwendung der in der Datenbank abgelegten Geometrie- und Sachdaten zu ermöglichen, wurden in ArcGIS unterschiedliche Möglichkeiten ihres Zusammenführens getestet, nämlich die Erstellung von Beziehungen unter Vorhaltung getrennter Datensätze und die Generierung eines Gesamtdatensatzes aus beiden Datenätzen.
Anschließende Performance-Untersuchungen führten dann zu dem Resultat, dass die Verwendung des generierten Gesamtdatensatzes deutlich schnellere Ergebnisse lieferte.

Weitere Aufbereitungsschritte im Hinblick auf eine Steigerung der Performance beinhalteten das Hinzufügen von Attributindizes und räumlichen Indizes zur Beschleunigung von Abfragen.
Um eine Visualisierung zeitbezogener Daten beispielsweise mittels eines Zeitschiebereglers zu ermöglichen, erfolgte eine Aktivierung der Zeiteigenschaften und die Erstellung zeitbezogener Layer.

Zwecks späterer Nutzung der Daten innerhalb einer webbasierten Plattform war die Erstellung eines Kartenservices erforderlich, wobei die erforderlichen Einstellungen mit Hilfe des ArcGIS Server Managers vorgenommen wurden.
Der Service wurde sowohl über den ArcGIS Server innerhalb der IT-Infrastruktur der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg als auch über einen in der Microsoft Azure Cloud implementierten virtuellen ArcGIS Server bereitgestellt.
Durch entsprechende Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Bereitstellung über die Microsoft Azure Cloud ein wesentlich flüssigeres Nachladen der Überflutungsflächen und Fachinformationen ermöglicht, weshalb diese Form der Bereitstellung als Standard für die in den weiteren Bearbeitungsschritten erstellte Web App gewählt wurde.

Mit Hilfe des ArcGIS Organisationsaccounts und des Web AppBuilders für ArcGIS erfolgte die Verwaltung, Bearbeitung und Bereitstellung der vorhandenen Daten innerhalb einer webbasierten Plattform und in diesem Rahmen die Erstellung einer Web App.
Zu diesem Zweck wurde zunächst eine Grundkarte eingerichtet und anschließend die Daten der Deichüberflutungsszenarien sowie weitere, von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg bereitgestellte Fachinformationen (Gewässernetz, Deiche und Dämme, Straßenachsen, Gebäudeflächen) hinzugefügt, wobei zur Integration der letztgenannten Daten nochmals ein Kartenservice erstellt wurde.

Für die Web App wurden neben dem Kartenfeld mit den üblichen Grundfunktionalitäten insbesondere mehrere Widgets bereitgestellt, welche die eigentlichen Funktionalitäten der App beinhalten (Grundkarten-Galerie, Zeitschieberegler, Abfrage, Diagramm, Hinzufügen von Daten).
Hierbei wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass beim späteren Einsatz dem Nutzer die benötigten Informationen möglichst schnell zur Verfügung gestellt werden können.

In der schriftlichen Arbeit werden insbesondere der Zeitschieberegler, der die zeitlich dynamische und flächenhafte Darstellung von Deichüberflutungsszenarien ermöglicht, und die (auch in Kombination mit dem Zeitschieberegler nutzbaren) Widgets Abfrage und Diagramm ausführlich erläutert.

Die erstellte Web App wurde über den ArcGIS Organisationsaccount veröffentlicht und kann auf allen gängigen Endgeräten (Smartphones, Tablets, Laptops, Desktop-Arbeitsstationen usw.) eingesetzt werden.
Prinzipiell ist es auch möglich, die App nach Einrichtung einer entsprechenden Schnittstelle als eine wichtige Informationsquelle für das als zentrales Werkzeug des Hochwasserrisikomanagements in Baden-Württemberg konzipierte Flut-Informations- und Warnsystem FLIWAS zu nutzen.