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Prof. Dr. Dirk Benndorf

Die wenigsten Mikroorganismen einer Lebensgemeinschaft lassen sich im Labor kultivieren – bei mehr als 90 Prozent der Arten muss auf moderne Techniken zurückgegriffen werden, um zu wissen, was sie theoretisch und praktisch machen. Ein Grund, warum der neu berufene Professor für Mikrobiologie am Fachbereich Angewandte Biowissenschaften und Prozesstechnik an der Hochschule Anhalt die Mikrobiellen Gemeinschaften zu seinem Forschungsgebiet gemacht hat. 

Über seine Schwerpunkte in der Lehre, warum es effiziente und weniger effiziente Biogasanlagen gibt und über welches Verfahren sich Darmspiegelungen künftig erübrigen könnten, darüber spricht Professor Dir Benndorf in diesem Interview.

Prof. Benndorf, Sie wurden an die Hochschule Anhalt nach Köthen zum Professor für Mikrobiologie berufen. Was waren Ihre beruflichen Stationen vor der Hochschule Anhalt? 
Ich habe an der Universität Leipzig Biochemie studiert und meine Zeit als Doktorand am Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH verbracht. Dort habe ich die Promotion zum Schwerpunkt mikrobieller Abbau von Schadstoffen mittels Proteomanalyse durchgeführt und blieb auch nach meiner Promotion, insgesamt waren es zehn Jahre. Ich habe zu dem Zeitpunkt auch schon in der Lehre der Universität Leipzig mitgearbeitet, Vorlesungen gehalten und in Praktika ausgeholfen. Ich hatte damals schon den Wunsch, das auszubauen. Deshalb bin ich dann vom Forschungszentrum an die Universität Magdeburg gewechselt und habe dort 15 Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter den Studiengang Biosystemtechnik betreut und war Teamleiter für den Bereich Mikrobielle Gemeinschaften.

Sie sind bereits seit 2019 für das Gebiet Mikrobiologie als Vertretungsprofessor am Campus Köthen. Was fasziniert Sie an Ihrem Fachgebiet? 
Mich faszinieren die komplexen Interaktionen zwischen Mikroorganismen in mikrobiellen Gemeinschaften. Die Mikrobiologie hat sich sehr lange auf die Isolierung und Charakterisierung einzelner Bakterien fokussiert, beispielsweise Krankheitserreger oder Bakterien mit biotechnologischer Anwendung. Heute aber ermöglichen moderne Techniken, die sogenannten OMICS-Techniken, den Zugang zu ganzen Gemeinschaften. Durch diese Techniken ist der Zugang zu Lebensgemeinschaft, sogenannten Mikrobiomen möglich. Das ist deshalb so spannend, weil es uns ermöglicht, Organismen zu entdecken, die wir im Labor nicht kultivieren können. Das verrückte ist: Das ist die Mehrheit der Arten! In vielen Lebensräumen sind es mehr als 90 Prozent der Bakterien, die wir nicht im Labor kultivieren können – die Forschung durch OMICS-Techniken macht das erst möglich. 

Was sind diese OMICS-Techniken, wie kann man sich das als Laie vorstellen?
Eine neuartige Technik ist die Sequenzierung der DNA aus diesen Lebensgemeinschaften. Da lerne ich etwas darüber, welche Organismen da sind und welche Gene sie besitzen und was sie theoretisch machen können. Wenn wir uns dann noch das Proteom, also die Proteine ansehen, dann sehe ich, was die Mikroorganismen auch tatsächlich machen. Damit lassen sich die Lebensgemeinschaften dann erklären und verstehen. 

Welche Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen untersuchen Sie? 
Meine Themen sind zum einen die mikrobiellen Gemeinschaften in Biogasanlagen. Die Umwandlung von Biomasse zu Biogas kann nicht von einem Bakterium allein durchgeführt werden. Damit ist es ein sehr gutes Beispiel für die Notwendigkeit, sich mit Mikrobiomen zu beschäftigen. Dort gibt gegenseitige Abhängigkeiten genauso wie Konkurrenz, also Beziehungen wie wir sie auch in der Gemeinschaft von Menschen kennen. Das kann gut laufen, aber auch schiefgehen, im Falle der Biogasanlage führt das zu verringerter Effizienz und ökonomischen Schaden.

Außerdem arbeite ich am humanen Mikrobiom. Ungleichgewichte im Darmmikrobiom führen im einfachsten Fall zu vorübergehenden Verdauungsstörungen, allerdings wird ein verändertes Mikrobiom auch mit entzündlichen Darmerkrankungen, Darmkrebs, Diabetes, Adipositas und sogar neurologischen Störungen in Zusammenhang gebracht. Ein verbessertes Verständnis der Vorgänge im Mikrobiom kann helfen, den Biogasprozess zu optimieren oder auch gesundheitliche Problem vorzubeugen oder zu diagnostizieren.

Wie könnte dieses verbesserte Verständnis erreicht werden? Gibt es dafür Methoden?
Wir können momentan nur die Proteine der am häufigsten vorhandenen Bakterienen erfassen und sehen deshalb nur einen Teil der Gemeinschaft, die Spitze des Eisberges. Daher denke ich schon seit Jahren über eine Technologie nach, um einzelne Proteinmoleküle in komplexen Mischungen zu sequenzieren, so wie wir das heute schon für DNA-Sequenzen können. Es gibt erste Ansätze, aber die Sache ist sehr komplex, da wir im Unterschied zur PCR-Analyse für DNA bis heute keine direkte Möglichkeit haben Proteine zu vervielfachen. 

Haben Sie sich für Ihre Tätigkeit an der Hochschule Anhalt ein bestimmtes Ziel gesetzt?
Tatsächlich möchte ich ein verlässliches Verfahren zur massenspektrometrischen Diagnostik des Mikrobioms von Stuhlproben entwickeln, dass zur Diagnostik von entzündlichen Darmerkrankungen und zur Darmkrebsfrüherkennung genutzt wird. Das würde vielen Menschen eine Darmspiegelung und am Ende den Krankenkassen sogar Kosten sparen. Ein Beispiel für die erfolgreiche Einführung der Massenspektrometrie in der mikrobiologischen Labordiagnostik ist das MALDI-Biotyping, eine dreistufige Methode der Massenanalyse von chemischen Verbindungen

Können Sie uns kurz einige Schwerpunkte nennen, die Sie in der Lehre setzen wollen?
Die hängen mit meinen Forschungsthemen zusammen. Dazu brauchen die Studierenden aber erst praktische Fähigkeiten im Labor, die wir ihnen vermitteln müssen. Zugleich profitieren sie aber auch von den modernen OMICS-Technologien und von der Bioinformatik. Für beide Themen möchte ich umfangreiche und moderne Praktika und Übungen anbieten. 

Darüber hinaus habe ich gute Erfahrungen gemacht, wenn sich Studierende frühzeitig und eigenständig Lehrinhalte erarbeiten, die sie sich dann gegenseitig in Vorträgen vorstellen. Das hat viele Vorteile: Studierende merken, dass sie das Grundwissen aus der Vorlesung befähigt, sich selbst zusätzliches Wissen anzueignen und sie hören einander anders zu, als wenn nur ich als Professor spreche. Ich denke, dass die Fähigkeiten der eigenständigen Recherche und des Präsentierens wichtige Softskills für die spätere berufliche Tätigkeit sind. 

Haben Sie ein Motto, das Sie den Studierenden mit auf Ihrem Lebensweg geben möchten?
Ja, ich habe zwei Mottos, einmal: „Verlassen Sie die breiten Pfade und suchen Sie neue“. Bahnbrechende Erfindungen und Erkenntnisse gewinnen wir oft dann, wenn wir gewohnte Denk- und Erklärungsmuster für ungewöhnliche Beobachtungen oder experimentelle Ergebnisse verlassen.

Und was mir auch noch wichtig ist, mitzugeben:
Wir stehen als Einzelne oft scheinbar hilflos vor den globalen Problemen unserer Zeit. Finden Sie in ihrem Lebensumfeld den kleinen Beitrag, den Sie beispielsweise zur Lösung der Klimakrise leisten können. Für mich als Mikrobiologe und gläubiger Christ bedeutet das, biotechnologische Verfahren zur nachhaltigen Produktion von Produkten und oder zur biologischen Speicherung erneuerbarer Energien zu entwickeln, denn „Ich bin ein Gast auf Erden“ (Psalm 119,19) und möchte die Schöpfung Gottes in einem gutem Zustand für meine eigenen Kinder und weitere Generationen hinterlassen.

Prof. Benndorf, herzlichen Dank für das Interview.