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Professor Clemens Westermann

Für das Gebiet Gebäudetechnik wurde Professor Westermann zum Wintersemester 2021 an den Standort Dessau an die Hochschule Anhalt berufen. In diesem Interview blicken wir mit ihm zurück und nach vorne – denn in der Zukunft warten für seine Absolventinnen und Absolventen einige Herausforderungen, da ist sich Professor Westermann sicher: „Wir stellen uns gerade auf ein komplett neu ausgerichtetes Bauen ein. Wir müssen bis 2050 klimaneutral sein: Das geht nur mit Architektur und Technik gemeinsam“, erklärt der Ingenieur. 

Professor Westermann, Sie sind seit 1994 als freiberuflicher Ingenieur tätig. Zum Wintersemester 2021 wurden Sie als Professor für Gebäudetechnik nach Dessau berufen. Bevor wir über Ihre neue Aufgabe sprechen, lassen Sie uns kurz zurückblicken. Wie sind Sie zu Ihrem Fachgebiet gekommen? 
Prof. Westermann: Zum einen durch meinen familiären Hintergrund: Ich habe zwei Architekten in der Familie. Nach einem schulischen Praktikum in einem Planungsbüro war meine Faszination für die Technik am Bau erwacht und hat mich bis zum heutigen Tag nicht losgelassen. Ab 1984 habe ich an der TU Dresden Technische Gebäudeausrüstung studiert. Das hat mir den Wunsch erfüllt, energetische Probleme mit wissenschaftlichem Ansatz anzugehen. In der DDR war die TU die einzige Einrichtung, die dieses technische Studium auf universitärem Niveau angeboten hat. Nach dem Studium war der Reiz der praktischen Arbeit groß. An eine akademische Karriere war damals nicht zu denken. Jetzt, mehr als 30 Jahre nach meinem Abschluss freue ich mich darauf meine Faszination über dieses Fachgebiet an die Studierenden weiterzugeben.
 

Sie beschäftigen sich in Vorträgen neben der Gebäudetechnik und BIM mit den Themenfeldern Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Was bedeutet nachhaltige Architektur für Sie? Architektur, die über Generationen nutzbar und als Raum erfahrbar ist. Dabei liegt mein Focus im Besonderen auf Energieeffizienz und Klimaneutralität bei der Errichtung und der Nutzung von Gebäuden sowie dem Bauen mit nachhaltigen Materialien und Werkstoffen mit einem geringen ökologischen Fußabdruck. 
 

Als Vizepräsident der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt können Sie im Land über die verschiedenen Gremien die Zukunft des Berufstandes weiterentwickeln. Was ist Ihre Aufgabe? 
Den Berufsstand weiter zu entwickeln heißt unter anderem die Berufsbezeichnung des Ingenieurs zu fördern. Seit der Bologna Reform wird ein Studium in der Regel mit dem akademischen Grad Bachelor oder Master abgeschlossen. Die Ingenieurkammer kann in Abhängigkeit der Ausbildungsschwerpunkte im MINT-Bereich den Titel des Ingenieurs verleihen. Damit die Fächerkombination und Wichtung der Credit Points im Curriculum eines Studienganges diese Möglichkeit eröffnen kann, führe ich mit den Hochschulen im Land beratende Gespräche.Die Nachwuchsförderung der Ingenieurkammer richtet sich nicht nur an Studierende. Wir versuchen zum Beispiel durch Schülerwettbewerbe, unser Engagement bereits in den Schulen einzubringen.Auch wenn es um die Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse als Ingenieur geht, ist die Ingenieurkammer Ansprechpartner. Darüber hinaus informieren wir bei Fragen zur Selbstständigkeit, organisieren Kontaktbörsen und vermitteln Nachfolgeregelungen.
 

Seit dem Wintersemester sind Sie nun am Fachbereich Architektur als Professor tätig. Welche Fächer lehren Sie?
Ich werde in den verschiedenen Studiengängen des Fachbereichs das Gebiet Gebäudetechnik lehren. Das umfasst die Fächer Bauklimatik, Technische Gebäudeausrüstung und Erneuerbare Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit.
 

Welche Ziele verfolgen Sie dabei?
Eines meiner wichtigsten Ziele ist es, den integrativen Planungsansatz stärker in das Bewusstsein der Studierenden zu rücken. 
 

Können Sie das genauer erklären?
Ja, natürlich. Wenn wir ein Haus bauen wollen, sind zahlreiche Gewerke beteiligt, die jeweils auf eine bestimmte Fachrichtung spezialisiert sind. Diese müssen koordiniert und möglichst früh in die Bauplanung eingebunden werden. Insbesondere im Bereich der Gebäudetechnik ist eine zunehmende Komplexität zu beobachten. Es müssen Fragen zur Heizung, Lüftung und Klimatechnik, zur Beleuchtung und zum Einsatz regenerativer Energien beantwortet werden. Diese Faktoren können einen unmittelbaren Einfluss auf die Architektur eines Gebäudes haben und umgekehrt. Es macht deshalb Sinn, frühzeitig in der Planung die Spezialisten zusammenzubringen.

Dazu muss auch gesagt werden, wir stellen uns gerade auf ein komplett neu ausgerichtetes Bauen ein. Wir müssen bis 2050 Klimaneutral sein: Das geht nicht nur im Zusammenspiel von Architektur und technischem Ausbau. Hinzu kommen die Bedürfnisse der Nutzer in modernen Wohn- und Arbeitswelten. Viele denken in der Praxis noch nicht so weit, aber das ist es, was ich stark forciere: Diese Aufgaben zusammen zu lösen. Ich möchte meinen Studierenden und Absolventinnen und Absolventen in dieser Richtung den Blick weiten. Sie sollen später im Beruf die Gebäudeplanung als gemeinsame Leistung vieler Gewerke verstehen und voranbringen.
 

Sie meinen also, vor allem im Hinblick auf Klimaneutralität braucht es diese verstärkte Zusammenarbeit?
Genau, aber wir müssen auch an die Klimaanpassung denken! Wir werden neue Wetterbedingungen haben. Es braucht Gebäude, die zum Beispiel auf Starkregenereignisse und veränderte klimatische Bedingungen ausgerichtet sind.
 

Wenn die Studierenden diese Notwendigkeit erkennen, dann möchten Sie Ihnen digitale Werkzeuge an die Hand geben, um bessere Planungsprozesse zu ermöglichen. Wie können diese genutzt werden? 
Mit den Werkzeugen können die Studierenden die Prozesse visualisieren, aber auch integrative Simulations- und Berechnungsprozesse durchführen. Das geht dann bis hin zu BIM (building-information-modeling) und zum „digitalen Zwilling“, bereits vor der Projektrealisierung. Hier ist die Verbindung der verschiedenen Studiengänge der Hochschule besonders deutlich spürbar.
 

Welche Entdeckung, Erfindung oder Erkenntnis wünschen Sie sich in den nächsten zehn Jahren? 
Fortschritte in der Kernphysik, wie Kernfusion wären toll, aber auch ein stärkerer Fokus auf Biotechnologien in allen Bereichen würden unserer Umwelt guttun. Eine Substitution fossiler Energie und Werkstoffe ist eines der wichtigsten Ziele unserer Zeit.
 

Haben Sie ein Motto, das Sie den Studierenden mit auf Ihrem Lebensweg geben möchten? 
Wir haben das Wissen zur Veränderung und täglich wird es mehr. Wir müssen nur lernen, es kreativ anzuwenden.

Professor Westermann, herzlichen Dank für das Gespräch.