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Brötchen mit Mehrwert

Erforschen, erkunden, ein Produkt weiterentwickeln – wie das gelingt, zeigt die Projektarbeit von Hannah Raudszus, Finn Spielmann und Timon Strauch. Die Studierenden im Masterstudiengang Ökotrophologie an der Hochschule Anhalt haben ein herkömmliches Weizenbrötchen nährwerttechnisch upgegradet. Sie nutzten das Modul „Methodenkompetenz“ im dritten Semester, um im Labor und am Backofen eine explorative Studie zum Einsatz von Leguminosenmehlen in Weizenbrötchen durchzuführen.

Kann ein Weizenbrötchen seinen Nährwert verbessern? Kann es – und zwar ohne geschmackliche oder sensorische Abstriche! Den Beweis dafür haben Hannah Raudszus, Finn Spielmann und Timon Strauch erbracht. Sie haben für ihre Projektarbeit Hunderte von Brötchen gebacken und ihre Mitstudierenden am Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung kosten und abstimmen lassen. „Das war ein cooles Projekt, wir haben wirklich etwas Neues entwickelt“, sagt Finn. „Wir wollten diesen starken Praxisbezug, konnten ein reales Produkt neu designen und waren dafür mit allen Freiheiten ausgestattet“, ergänzt Timon. Hannah erinnert sich ebenfalls gerne an die Experimente mit dem Brötchenteig, obwohl es auch stressige Phasen durchzustehen galt. „Es war eine elende Rechnerei, bis die Rezeptur stimmte“, sagt sie. „Ich finde es auch gut, dass wir ein gesellschaftlich relevantes Thema behandelt haben, denn gesunde oder auch fleischlose Ernährung ist vielen Menschen inzwischen wichtig. Und dass wir als Gruppe harmonisch zusammengearbeitet haben, war auch eine gute Erfahrung.“

Mehl aus Erbsen oder Ackerbohnen

Als Grundlage der Studie diente eine Weizenbrötchenrezeptur mit hundert Teilen Mehl, fünfzig Teilen Wasser, zwei Prozent Salz und frischer Hefe. Diese Rezeptur haben die drei Studierenden variiert und die Prozentanteile des Weizenmehls durch zehn, zwanzig oder dreißig Prozent Leguminosenmehle ersetzt. Legumi…was? Leguminosen sind Hülsenfrüchte. Pflanzen, die in Deutschland lange eher wenig beachtet wurden. Die Pflanzenfamilie aus der Ordnung der Schmetterlingsblütenartigen dient vor allem als Tierfutter und in der Düngung landwirtschaftlicher Flächen, denn Hülsenfrüchte gehören zu den wenigen Pflanzen auf der Welt, die Stickstoff aus der Luft sammeln und im Boden als natürlichen Dünger zur Verfügung stellen können. Dass Erbsen, Bohnen und Linsen mehr als das können, war Hannah, Finn und Timon aus den Lehrveranstaltungen von Professor Dr. Karsten Paditz bekannt. Der Hochschullehrer begeistert sich für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Leguminosen, denn sie enthalten viel Eiweiß und sind reich an Ballaststoffen. Er hat die Masterstudierenden inspiriert und motiviert, den Einsatz der Hülsenfrüchte in einem bekannten Produkt auszutesten.

Werden die Brötchen zu gelb oder zu grau?

Hannah, Finn und Timon haben sich für ihre Analyse ein Standardweizenbrötchen ausgesucht. Sie stellten sich grundlegende Fragen: Wie schmeckt ein Brötchen, das mit mehr oder weniger Anteilen aus Ackerbohnenmehl gebacken wird? Ist es fluffig und frisch? Gelingt uns ein knackiges Brötchen mit einer guten Kruste? Sieht ein Brötchen mit einem Anteil Erbsenmehl gut aus oder wird das zu gelb? Wird ein Brötchen aus Ackerbohnenmehl zu grau, vielleicht sogar zu dunkel? Gelingt es uns, das Produkt zu erweitern?

Um diese Fragen zu beantworten, mussten sie sich intensiv einlesen, denn Fachkenntnisse aus dem Bäckereihandwerk brachte niemand aus der Gruppe mit. Anschließend im Versuchslabor haben sie unzählige Male getestet und dabei auch einige frustrierende Stunden erlebt. Es dauerte länger als gedacht, bis der Teig ihren Ansprüchen genügte. Sie kämpften damit, dass Hülsenfrüchte viel Wasser aufnehmen und Leguminosenmehl eine ganz eigene Quellfähigkeit hat: „Wir mussten ständig feinjustieren und an der Rezeptur arbeiten. Das hat viele Backversuche verlangt und uns ganz schön Nerven gekostet“, so die Studierenden.

„Alle Brötchenvarianten fanden ihre Fans“

Als sie nach vielen Misserfolgen endlich vorzeigbare Brötchen zustande gebracht hatten, konnte die Brötchenverkostung starten. Ein gutes Gefühl war es schon, allein den Duft beim Backen zu erschnuppern. Auch geschmacklich haben sie neue Akzente gesetzt. Gab es ein Spitzenreiterbrötchen? „Eigentlich gab es keinen klaren Sieger, alle Varianten fanden ihre Fans“, erinnert sich Hannah. „Dem typischen Bäckerbrötchen optisch am nächsten kam das zehnprozentige Erbsenmehlbrötchen“, sagt Finn. „Das war auch die Variante, die die Hochschule Anhalt bei der Grünen Woche der breiten Öffentlichkeit vorgestellt hat und die dort gut ankam“, ergänzt Timon.

Mittlerweile sammeln die Masterstudierenden Berufserfahrung und arbeiten an ihren Abschlussarbeiten. Finn Spielmann ist den Backwaren treu geblieben und nutzt die Chance, in der Qualitätssicherung einer industriellen Großbäckerei in Frankfurt am Main Berufspraxis zu sammeln. Timon Strauch kümmert sich aktuell neben seiner Masterarbeit um das Qualitätsmanagement eines Hamburger B2B-Nahrungsmittellieferanten, wo er für den internationalen Vertrieb von Nüssen verantwortlich ist, und Hannah Raudszus erweitert in der Altmark ihre Kenntnisse bei einem Unternehmen, das sich auf die Vermarktung von gefriergetrockneten Früchten im B2B-Bereich spezialisiert hat.

«Ich finde es auch gut, dass wir ein gesellschaftlich relevantes Thema behandelt haben, denn gesunde oder auch fleischlose Ernährung ist vielen Menschen inzwischen wichtig.»

Hannah Raudszus