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Prof. Dr. Tim Reuter

Es braucht das „Bigger Picture“, um Probleme zu erkennen und ganzheitliche Lösungen zu finden, erklärt der neu berufene Professor für Mikrobiologie an der Hochschule Anhalt, Professor Tim Reuter. Für den Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung kehrt er an seinen Studienort Bernburg zurück. In seine Lehre lässt Professor Reuter seinen Erfahrungsschatz aus 18 Jahren als Wissenschaftler für Nahrungsmittelsicherheit bei der kanadischen Regierung einfließen.
 

Prof. Reuter, bevor wir über Ihre neuen Aufgaben an der Hochschule Anhalt sprechen, lassen Sie uns einmal zurück blicken. Sie haben sich nach ihrem Schulabschluss für eine Lehre im Fleischerhandwerk entschieden. Hatten Ihre Eltern oder Großeltern einen Betrieb? 
Nein, ich wusste damals nicht so richtig, was ich machen wollte und dachte, ich probiere mal Fleischer. 

Nach fünf Jahren haben Sie sich dann in Bernburg für Ökotrophologie eingeschrieben. Wie kam es dazu? 
Das ist relativ einfach zu erklären. Es war das Jahr der Wiedervereinigung, 1989. Plötzlich hatte sich alles verändert, es entstanden völlig neue Optionen. Es war eine sehr bewegende Zeit. Ein ganzes Weltbild hatte sich verändert und die Menschen mittendrin. 

War die Veränderung von der Arbeit im Handwerk in den Hörsaal eine große Umstellung?
Ja, auf alle Fälle. Wenn man sein Gehirn so lange wenig beansprucht hat und dann wieder einen Stift in der Hand hält, dann ist vieles neu und aufregend. 

Aber es hat funktioniert und vielleicht motiviert Ihr Lebenslauf auch heutige Lehrlinge, die sich überlegen, noch ein Studium zu beginnen. 
Möglicherweise. Im Nachhinein habe ich meinen Weg als Vorteil betrachtet. Im Fach Anatomie und Physiologie musste ich weniger als viele Kommilitonen lernen, da hatte ich so viel praktische „Einschnitte“, das kannte ich alles aus dem Handwerk sehr gut. 

Bereits in Ihrem Studium haben Sie sich dann für Ihr heutiges Gebiet, den Schwerpunkt Mikrobiologie, interessiert. 
Das kam durch den damaligen Betreuer meiner Diplomarbeit, Prof. Wolfram Schnäckel und das Thema Rohwurst. Da gab es ein großes Zusammenspiel zwischen der Lebensmitteltechnologie und der Lebensmitttelmikrobiologie, das fand ich sehr faszinierend. 

Jetzt sind Sie nach mehr als 20 Jahren wieder zurück nach Bernburg gekommen. Was war Ihr erster Eindruck und was haben Sie sich für Ihre Zeit an der Hochschule Anhalt vorgenommen? Der Campus der Hochschule in Strenzfeld hat sein familiäres Flair beibehalten, beziehungsweise ist er mittels vieler landschaftsarchitektonischer Veränderungen noch attraktiver geworden. In den letzten Jahren hat sich viel getan in der Mikrobiologie. Ich möchte die Lehre in meinem Fachgebiet verstärkt durch die Molekularbiologie ergänzen. 

Wie möchte Sie Ihre Lehre gestalten?
Ich versuche, die Vorlesungen spannend und praxisorientiert zu gestalten. Nicht bloß Buchwissen, sondern meine eigenen Erfahrungen mit in den Lehrstoff einfließen zu lassen. Ich möchte die Studierenden für die Thematik „Mikrobiologie und Hygiene“ begeistern und ihnen helfen, analytisch zu denken. Meine Erwartungen an die Studierenden sind, dass sie zuhören, „zusammendenken“ und mitmachen. Neben Fachinhalten ist meiner Meinung nach auch die Vermittlung von Soft Skills wie mündliches Präsentieren, Feedback geben oder auch die visuelle Aufbereitung von Inhalten ein vitaler Lerninhalt im Studium. 

Zu den eigenen Erfahrungen, die Sie in die Lehre mit einfließen lassen, zählen auch 18 Jahre Auslandserfahrung in Kanada, wo Sie zuerst einer Einladung der kanadischen Regierung im Forschungszentrum „Agriculture and Agri-Food Canada“ in Lethbridge, Alberta folgten. Später folgte eine Anstellung in „Alberta‘s Agriculture and Food Sectors“ im Ministerium der Landesregierung von Alberta. Wie kam es zu dieser Einladung? 
Die hatten meine Arbeiten gelesen, die ich als Doktorand zum Thema Gentechnik publiziert hatte. Gentechnik war in den 90er Jahren ein ganz großes Thema, ich hatte dazu molekularbiologische und ernährungsphysiologische Publikationen verfasst und da wurde ich gefragt, ob ich nicht nach Kanada kommen würde, um bei ihnen am Institut zu arbeiten. 

… und da haben Sie dann „Ja“ gesagt…
Nein, ich habe zuerst mal Nein gesagt (lacht)! Was soll ich denn in Kanada, habe ich gedacht (und wo in der Welt ist Lethbridge?). Ich war damals an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover tätig. Erst eine ganze Weile später, habe ich mich dann doch entschlossen weg zu gehen. Und da war ich dann mal weg. 

Was waren Ihre Aufgabengebiete?
Ich war Wissenschaftler und forschte vorrangig an der Thematik Nahrungsmittelsicherheit – von der Landwirtschaft bis zum Tellerrand. Ein Konzept, dass wir nicht nur in Kanada verfolgten, nennt sich One Health. Das ist ein Ansatz, mit dem die Gesundheit von Umwelt, Tiere und Menschen verbessert werden soll. Hier denken und arbeiten viele, nicht nur wissenschaftliche, Disziplinen zusammen - man versucht Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Fachgebieten wie beispielsweise der Human- und Veterinärmedizin besser zu verstehen. Dieses Konzept versuche ich auch den Studierenden in Bernburg zu vermitteln. Es ist mir wichtig, dass die Studierenden die Verbindung zwischen den einzelnen Teildisziplinen sehen und erkennen, wie die einzelnen Puzzlestücke dann zu einem Bild fusionieren. Ich rate auf der Suche nach einer Lösung gerne dazu, erst einmal 10.000 Meter rauszuzoomen und das „Bigger Picture“ zu betrachten. 

Können Sie uns einen Einblick in Ihr Forschungsgebiet geben? Was reizt Sie besonders an Ihrem wissenschaftlichen Spezialgebiet?
Ich würde es nicht Spezialgebiet nennen, aber die komplexe und evolutionäre Entwicklung von pathogenen Mikroorganismen und speziell Bakterien, die den Menschen krank machen können fasziniert mich schon sehr. Mein mittelfristiger Plan ist es, in Bernburg die Molekularbiologie aufzubauen und dann die Wirkspektren dieser pathogenen Mikroorganismen weiter zu untersuchen. 

Haben Sie ein Motto, das Sie den Studierenden mit auf Ihrem Lebensweg geben möchten?
Das Zitat „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt" von Albert Einstein. 

Herzlichen Dank für das Gespräch.