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Naturheilkunde - was kann Dr. Wald?

Professor Dr. Uwe Reuter hat den berufsbegleitenden Studiengang Naturheilkunde mit aufgebaut, die Akkreditierung angestrebt und ist für dessen Betreuung und Weiterentwicklung verantwortlich. Im Jahr 2022 wurde er aufgrund seiner Expertise zum Honorarprofessor für Naturheilkunde an der Hochschule Anhalt berufen. Wir sprachen mit dem gebürtigen Zwickauer über seine Leidenschaft für die Naturheilkunde, fragten ihn, wie er dazu kam und welche Therapien die Naturheilkunde umfassen kann. Außerdem stellt er uns seine Forschung im Bereich der Schmerztherapie vor, erklärt den berufsbegleitenden Studiengang Naturheilkunde und verrät uns, was Dr. Wald kann und was er nicht kann. 

 

Professor Uwe Reuter, Sie wurden für das Gebiet Naturheilkunde zum Honorarprofessor im Jahr 2022 berufen. In Ihrer ärztlichen Laufbahn haben Sie bereits zahlreiche Weiterbildungen und Spezialisierungen absolviert. Sie sind Facharzt für Orthopädie, haben sich auf Homöopathie und Naturheilverfahren sowie auf spezielle Schmerztherapie und Akupunktur spezialisiert. Was fasziniert Sie an Ihrem Fachgebiet?
Für mich ist der Mensch ein Kunstwerk, den ich in seiner Besonderheit wahrnehmen möchte. Der Mensch ist in der Eigenregulation, im Stoffwechsel oder auch in der Selbstheilung sehr stark und eigentlich kann man schon mit wenig Dingen viel bewegen. Naturheilkunde hat viel mit Pflanzen und Pflanzentinkturen zu tun.


Wie kamen Sie zum ersten Mal in Kontakt mit Naturheilkunde?
Ich war Krankenpfleger in Dresden und bin dort mit Professor Manfred von Ardenne in Kontakt getreten, der damals Vorlesungen über Sauerstofftherapie gehalten hat. Sauerstoff ist ja etwas, was wir definitiv brauchen – und Professor von Ardenne hatte mit Sauerstofftherapien begonnen. Das war mein erster Kontakt mit der Naturheilkunde. Während meines Medizinstudiums kam ich dann über befreundete Kommilitonen aus Asien Kontakt mit verschiedenen traditionellen Verfahren in Kontakt – zum Beispiel Akupunktur oder Reflextherapien, manuelle Therapie oder Osteopathie. Mittlerweile bin ich auch anerkannter Schmerztherapeut und wende dort auch die Naturheilkunde an.


Naturheilkunde – seit wann gibt es sie?
Die erste schriftliche Erwähnung findet sich auf 4.000 Jahre alten Papyrusrollen, auf denen die alten Ägypter Pflanzentinkturen schrieben. Die Naturheilkunde ist also mindestens schon so alt, vielleicht sogar noch älter. Interessant ist auch, dass die Ärzte drei Tage warten mussten, bevor sie überhaupt behandeln durften.


Warum das?
Man weiß, dass eine Erkältung mit Behandlung sieben Tage dauert und ohne eine Behandlung eine Woche. Man wusste also damals schon, dass der Körper in den ersten drei Tagen in der Lage ist, sich zu regulieren. Wenn es dann nicht besser wurde, haben sie ihre Pflanzentinkturen und ihre Mittel verabreicht, um den Körper zu unterstützen.


Welche Therapien umfasst die Naturheilkunde? 
Pfarrer Kneipp hat die Naturheilkunde seinerzeit als fünf große Säulen beschrieben. Dazu gehören die Hydrotherapie, also die Behandlung mit kaltem und warmem Wasser, die Ernährungstherapie und das Fasten. Ein weiterer entscheidender Punkt sind die Bewegungstherapie, Physiotherapie und der Sport. Auch Entspannungstherapie und Psychotherapie gehören dazu. Im weiteren Sinne kann man auch die Traditionelle Chinesische Medizin dazu zählen, die Akupunktur oder auch die Neuraltherapie, das heißt der Einsatz von Lokalanästhetika. Das ist eines meiner Forschungsgebiete. Ich habe die sogenannte Procain-Basen-Therapie mitentwickelt, eine Schmerztherapie, bei der wir uns gerade in der Forschung und Entwicklung eines Procain-Clusters (als Procainumhydrogencarbonat) sind, der auch als Kapsel oder Salbe eingesetzt werden kann, was mit dem ursprünglichen Procain nicht möglich ist.


Wie funktioniert die Procain-Basen-Therapie?
Procain ist ein Lokalanästhetikum, das früher bei kleineren Operationen eingesetzt wurde. Procain ist ein Auszug aus der Agave – heute wird es synthetisch hergestellt. Man hat festgestellt, dass speziell Procain eine Art „Reset“ der Zellen bewirkt. Wie beim Computer kommt es zu einer Art Neustart. So ähnlich kann man sich das auch bei den Nervenzellen vorstellen, wenn man diesen Wirkstoff als Infusion einsetzt. Das hat einen deutlichen Effekt, der die Selbstheilung anregen kann und sehr gut wirkt. Der Basenanteil kommt noch mit dazu, weil man weiß, dass das Procain dann länger wirkt. Man kann die Procain-Basen-Therapie (Procainumhydrogencarbonat ) als Infusion oder in Kapselform, als Inhalation oder als Salbe anwenden. Die Anwendung in der Schmerztherapie zeigt gute Ergebnisse.


Was beinhaltet der berufsbegleitende Studiengang Naturheilkunde?
Der Studiengang basiert auf einem integrativen Ansatz. Die Naturheilkunde ist Teil der Medizin, sie kann Nebenwirkungen reduzieren, die Selbstheilungskräfte stärken und die Lebensumstände verbessern. Das ist ein wichtiger Ansatz, den wir unseren Studierenden auch vermitteln.

Wir gehen im Studium auch auf die Grenzen der Naturheilkunde ein, stellen sicher, dass erkannt wird, wann die Standardmedizin zum Einsatz kommen sollte. Wir versuchen, die evidenzbasierte Medizin mit einzubeziehen. Evidenzbasiert bedeutet zum einen die Praxiserfahrung der Ärzte, aber auch der externe Beleg durch Studien. Und wir haben die Patientenprävalenz – also die Frage, was der Patient selbst möchte. Verschiedene Studien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass 70 Prozent der Patientinnen und Patienten die Naturheilkunde als Teil der Behandlung möchten. Diese Kombination und Integration wird gewünscht und das beziehen wir auch in den Studiengang mit ein.


Wie sieht die praktische Umsetzung aus und wie geht es nach dem Studium weiter?
In der Praxis üben wir die Studieninhalte Kommunikation, Gesprächsführung mit Patientinnen und Patienten, aber auch angenehme Umgebungsfaktoren. Dazu gibt es auch verschiedene Praktika in der Standardmedizin und der Naturheilkunde, die für die praktische Umsetzung sorgen.

Nach Abschluss des Studiums können die Absolventinnen und Absolventen als Assistentin oder Assistent für Naturheilkunde in einer Praxis oder Klinik arbeiten, oder sich nach Absolvieren der Heilpraktikerprüfung niederlassen.


Wer kann sich für den berufsbegleitenden Studiengang bewerben?
Der Studiengang steht allen Interessierten offen, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung im medizinischen Bereich verfügen, aber auch für Laborantinnen und Laboranten, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten und Hebammen, die in den Bereich der Naturheilkunde einsteigen möchten.


Sie haben den Studiengang 2019 mit aufgebaut und waren ein wichtiger Pfeiler für das zu vermittelnde Wissen und die Akkreditierung. Wie sah dieser Prozess aus, wann entstand die Idee für den Studiengang?
Wir haben ja in Bernburg einen ganzheitlichen Ansatz vom Pflanzenanbau über die Ökotrophologie, also die Ernährungswissenschaften, bis hin zur Anwendung im Naturschutz. Da war es eine logische Schlussfolgerung, die Naturheilkunde mit einzubeziehen. 2019 haben wir uns dann nach verschiedenen Vorgesprächen um die Akkreditierung des Studiengangs bemüht, die im März 2023 auch bestätigt wurde.


Themen der Naturheilkunde, der ganzheitlichen Diagnostik, aber auch der Studiengangsentwicklung und des Audits gehören zu Ihrer Professur, ist das richtig?
Genau, neben diesen inhaltlichen Themen bin ich auch für die Weiterentwicklung des Studiengangs zuständig. Ab 2024 wird es das Modul Präventivmedizin, also vorbeugende Medizin, geben. Das weiterzuentwickeln, bis hin vielleicht sogar in Richtung eines Master- oder Modulstudiengangs, das sind die nächsten Schritte, die anstehen.


Was haben Sie in der Forschung geplant?
Ein Projekt wäre, die Auswirkungen von Biodiversität auf die menschliche Entspannung zu untersuchen. Man sagt ja, dass der Blutdruck bereits sinkt, wenn man nur etwas Grünes sieht – nein, im Ernst, Studien haben gezeigt, dass Dr. Wald sehr viel zur Entspannung beiträgt. Nur eines kann Dr. Wald nicht – er macht keine Hausbesuche.


Welche Entdeckung, Erfindung oder Erkenntnis wünschen Sie sich für die nächsten zehn Jahren?
Eigentlich etwas ganz Einfaches: Dass sich die Menschen der Bedeutung des Lebens bewusst werden. Ein liebevoller Umgang mit sich und mit der Umwelt. Der Naturschutz liegt mir sehr am Herzen, denn eine gesunde Natur wirkt sich auch gesund auf den Menschen aus. Der Präventionsgedanke spielt in der Naturheilkunde eine große Rolle.


Haben Sie ein Motto, das Sie den Studierenden mit auf Ihrem Lebensweg geben möchten?
Ich möchte da gerne ein Zitat von Hermann Hesse zitieren: „Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich. Und wer glaubt, niemals zu irren, der irrt.“

Professor Reuter, herzlichen Dank für das interessante Gespräch. 

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