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Prof. Dr. Matthias Stange

Professor Stange, bevor wir über Ihre neue Aufgabe sprechen, lassen Sie uns kurz zurückblicken. Sie haben Architektur an der Hochschule Anhalt in Dessau studiert. Wie sind Sie zu Ihrem Fachgebiet gekommen?
In meinem Architekturstudium habe ich rasch gemerkt, dass ich nicht der große Entwerfer werden würde. Aber es ist mir leichtgefallen, komplexe Zusammenhänge ganzheitlich zu erfassen und zu bearbeiten. Es muss auch Architektinnen und Architekten geben, die Projekte leiten und diese ins Ziel bringen können. In dieser Fähigkeit habe ich mich wiedergefunden. Deshalb habe ich mich nach dem Studium auch nicht in einem Wettbewerbsbüro beworben, sondern bei einem Generalisten, einem Consultant in München. 

Wo ging es für Sie hin nach dem Studium?
Es ging zu Obermeyer Planen und Beraten in München – das ist ein international operierendes Planungsunternehmen mit Blick auf komplexe Generalplanungen in nahezu allen Anwendungsbereichen. Gleich nach dem Studium hatte ich das Glück mit Obermeyer nach Dubai zu gehen, um dort spannende Projekte aus dem Nichts, quasi aus Wüste, zu entwickeln. Das war meine erste Station nach dem Studium, die mich im Nachhinein betrachtet, auf das richtige Gleis gesetzt hat. 

Welche beruflichen Stationen folgten danach?
Danach ging ich nach Zürich zu Christophe Carpente Architects, von wo aus ich spannende Projekte in Asien und Russland geplant und realisiert habe. Dabei konnte ich mich auch sprachlich und interkulturell sehr weiterentwickeln. Ich suchte dann aber schnell nach einer neuen Herausforderung und fand sie bei der Royal Group in Abu Dhabi. Dort hatte ich die Gelegenheit erstmals auf der Seite des Bauherrn sehr große Projekte im Mittleren Osten, Nordafrika und Südamerika zu entwickeln und umzusetzen. Das war eine sehr spannende Aufgabe, aber nach sechs Jahren Ausland wollte ich zurück nach Deutschland. Ich übernahm dann bei Dorsch Consult in Dresden die Leitung der Abteilung Architektur und Projektmanagement. Nach vier Jahren Dorsch Consult folgte die Leitung des Geschäftsbereichs Generalplanung bei der Arcadis Deuschland GmbH in meiner Heimatstadt Halle. In dieser Zeit habe ich dann berufsbegleitend promoviert und mein Interesse an der Forschung und Lehre hinzugewonnen.  

Nun sind Sie seit August 2022 Professor für Bau- und Projektmanagement sowie Projektsteuerung in Dessau. Seit Oktober 2021 haben Sie für diesen Bereich bereits die Vertretungsprofessur übernommen und bringen sehr viel internationale Erfahrung mit an die Hochschule. 
Ja, ich habe beispielsweise die Idee mit dem neu akkreditierten Masterstudiengang Projektentwicklung eine Exkursion in den Mittleren Osten zu planen. Dort kann man sehr gut sehen, wie Projektentwicklung stattfinden kann und sich auf uns und unsere Gewohnheiten auswirkt. Allerdings gibt es auch hier, wie so oft im Leben, positive und weniger positive Beispiele.  

Sie sind zurück an der Hochschule Anhalt, es ist quasi ein Heimspiel für Sie. Was hat sich verändert, was war Ihr erster Eindruck, als Sie zurück nach Dessau kamen? 
Ich habe einen Heimvorteil, weil ich hier selbst studiert habe, und dennoch sind mir zwei Sachen aufgefallen. Zum einen die Aufenthaltsqualität hier am Campus, die noch genauso angenehm ist, wie damals als ich hier Student war. Man fühlt sich hier direkt wohl, es ist ein toller Campus, vermutlich auch durch das große Erbe des Bauhauses. Zum anderen ist mir aufgefallen, dass der Umgang der Lehrenden mit den Studierenden und untereinander ausgesprochen freundlich ist. Nun als Kollege freue ich mich sehr darauf, in diesem freundlichen und wertschätzenden Umfeld zu arbeiten.

Welche Überschneidungsbereiche gibt es zwischen Ihrem bisherigen Schaffensweg und den neuen Herausforderungen in der Lehre? 
Die größte Überschneidung sehe ich in der Vermittlung meines praxiserprobten Wissens im Bereich des Bau- und Projektmanagements, natürlich gestützt durch die eingeführten theoretischen Grundlagen. Die größte Herausforderung liegt wohl darin, den Studierenden die immer noch bestehenden Schwächen in der Wertschöpfungskette Bau aufzuzeigen und gleichzeitig technologische und methodische Lösungsansätze zu vermitteln. Beispielsweise die Anwendung von BIM im gesamten Immobilienlebenszyklus oder die Etablierung von innovativen Projektabwicklungsmodellen, wie bspw. eine integrierte Projektabwicklung in Form von Projektallianzen. 

Was bedeutet die Anwendung von BIM? 
BIM bedeutet im Verlauf des Planungsprozesses ein digitales Bauwerksinformationsmodell zu erzeugen, das alle erforderlichen geometrischen und alphanummerischen Informationen für den Bau, die Nutzung und die Verwertung des Bauwerks enthält. Man spricht dabei auch von einem sogenannten „digitalen Zwilling“. Nur leider wird es in der Praxis fast ausschließlich in der Planung genutzt, zum Beispiel um Kollisionen in der Planung frühzeitig zu erkennen. Dabei könnte BIM sein größtes Potenzial in der Bau- und Nutzungsphase entfalten. Natürlich nur, wenn es die erforderlichen Informationen enthält. 

Welche Informationen stehen dann in einem BIM?
Jedem Bauteil können Informationen angehängt werden. Wie Wartungszyklen, Garantiezeiten, Materialeigenschaften, Preise, Hersteller, Informationen zu Brandschutzbauteilen oder die zu reinigenden Fenster- und Bodenflächen, die für das Facility Management wichtig sind. Aber auch die Liefer- und Errichtungszeiten für Bauteile, um verschiedene Szenarien für den Bauablauf zu simulieren, die für die Auswahl des optimalen Bauverfahrens wichtig sind. Die dafür nötigen Informationen sind in diesem „digitalen Zwilling“ hinterlegt. Der wohl größte Vorteil ist, dass man verschiedene Szenarien zunächst in der Theorie simulieren und sich dann für die geeignetste Lösung in der Praxis entscheiden kann.

Ist das auch Teil Ihrer Lehre?
Genau. Ich versuche zu vermitteln, wie das BIM-Modell nach der Planung und vor allem im Rahmen des Bau- und Projektmanagements genutzt werden kann. Dieses großartige, innovative Tool – das es im Übrigen bereits über 20 Jahre gibt – ist leider noch nicht vollständig in der Praxis angekommen.
Diesem Problem möchte ich mich sowohl in der Lehre als auch in der Forschung widmen. 

Ihr Forschungsgebiet handelt auch vom BIM-Modell. Was ist der Reiz davon?
Ich möchte die aktuellen Prozesse in der Wertschöpfungskette Bau neu denken – wir alle haben noch die unrühmlichen Chaos-Projekte wie die Elbphilharmonie Hamburg, Stuttgart 21 oder den Berliner Flughafen in unerfreulicher Erinnerung. Das muss so nicht bleiben, oder besser, das kann so nicht bleiben! Mein Fokus liegt auf der Frage, wie zukunftsfähig unsere aktuellen Prozesse in der Wertschöpfungskette Bau eigentlich sind und wie die BIM-Methode in Verbindung mit neuen, innovativen Projektabwicklungsformen hier Abhilfe schaffen kann. Der Reiz liegt in dem leider noch ungenutzten Potenzial dieser modellbasierten, kollaborativen Zusammenarbeit mit Hilfe von BIM und den dafür nötigen – aber noch nicht vollzogenen – Kulturwandel im Planen und Bauen.

Welche Entdeckung, Erfindung oder Erkenntnis wünschen Sie sich in den nächsten zehn Jahren – ist der Kulturwandel mit Hilfe von BIM ein Teil davon? 
Absolut, ja. Für die Bau- und Immobilienwirtschaft wünsche ich mir die Entwicklung eines Projektabwicklungsmodells, das ein effizienteres und weitestgehend konfliktfreies Planen und Bauen ermöglicht. 

Haben Sie ein Motto, das Sie den Studierenden mit auf Ihrem Lebensweg geben möchten? 
Mein Motto ist immer: Weniger ist mehr! Suchen Sie nach der einfachsten und effektivsten Lösung, und vermeiden Sie dabei Umwege.