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Prof. Dr. Klaus Günzel

  • Die konstruktionsbegleitende Simulation als Querschnittsdisziplin ist eng verbunden mit vielen Ingenieurdisziplinen, beispielsweise mit der Fertigungstechnik.

Wie können Studierende aktiv zur Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft beitragen? Mit dem neu berufenen Professor für konstruktionsbegleitende Simulation an der Hochschule Anhalt, Professor Klaus Günzel, sprechen wir über seine Vision und die Möglichkeiten, die sich für Studierende in seinem Fachgebiet bieten. Der gebürtige Villinger teilt Einblicke, welche Rolle der Ansatz des "Conscious Engineering" spielt und erzählt, welche Projekte Studierende im Bereich der umweltfreundlichen Technikentwicklung gemeinsam mit ihm umsetzen können.

Professor Günzel, herzlich willkommen an der Hochschule Anhalt. Was hat Sie dazu inspiriert, sich auf das Fachgebiet der konstruktionsbegleitenden Simulation zu spezialisieren?

Meine Leidenschaft für die Technik begann schon früh in meiner Jugend, als ich gemeinsam mit Freunden eigene Maschinchen baute. Damals ging es also mit der Bau-Begeisterung los. Die Begeisterung für die konstruktionsbegleitende Simulation aber, das Gänsehautgefühl, das fing im Studium insbesondere mit den Dynamik- und FEM-Vorlesungen an. FEM ist eine numerische Technik zur Lösung von Differentialgleichungen, die in vielen Ingenieuranwendungen, insbesondere in der Strukturanalyse, verwendet wird - und eine der Schwerpunkte meiner Lehre an der Hochschule Anhalt sein wird. Sie ermöglicht in einem automatisierten Rechner-Prozess die Aufteilung eines komplexen mechanischen Systems in kleinere, einfachere Teile (Elemente). Aus diesen lässt sich anschließend ein Gesamtmodell bilden, um das Verhalten des gesamten Systems zu analysieren.

Die mit der konstruktionsbegleitenden Simulation verbundene Leidenschaft wurde von mir oft damit verglichen, dass ich wie ein Detektiv "forschend umherging" und unter wachsendem Druck "den Fall lösen“ musste. Das ist auch eines der Narrative, das ich gerne im Rahmen meiner Arbeit an der Hochschule Anhalt vermitteln möchte. Es lohnt sich, an offenen Fragestellungen hartnäckig dranzubleiben. Gerade in Bezug auf die Klimakrise ist es aus meiner Sicht erforderlich, Ingenieursanwärtern diesen spannenden Bestandteil einer Entwicklertätigkeit zu vermitteln.

Wie haben Sie Ihre Faszination weiterverfolgt?

Im Rahmen meiner Promotion entwickelte ich ein neuartiges numerisches Modell für das Kopf-Halssystem, das dazu beiträgt, Unfallfolgen für Menschen abzumildern, indem es für die Auslegung von automobilen Rückhaltesystemen eingesetzt wird. Zu wissen, dass dies in die Weiterentwicklung passiver Sicherheitssysteme im Automobilbereich einfließt, war erfüllend und inspirierte mich zu den folgenden Arbeiten.

Ich bin deshalb glücklich darüber, dass ich bislang thematisch vielseitig in der Entwicklerpraxis unterwegs sein konnte. Übrigens: Der Schulterschluss mit Designern von Spielen oder Entwicklern des Metaverse, dem digitalen Raum, liegt bei all dem auch sehr nahe, wie ich finde.

Inwiefern sehen Sie das Potenzial der konstruktionsbegleitenden Simulation, um nachhaltige und umweltfreundliche Lösungen in der Produktentwicklung zu fördern?

Die konstruktionsbegleitende Simulation ist ein zentrales Element bei der Entwicklung nachhaltiger und umweltfreundlicher Lösungen, da sie dazu beiträgt, die Produktentwicklung effizienter zu gestalten. Ich denke als Erstes daran, dass dieser Effekt beispielsweise beim Thema ‚Decarbonisierung‘ sehr hilfreich ist. Dies ist die große Chance des Maschinenbaus angesichts der bestehenden Ressourcen- und Umwelthemen. Mein Ziel: Unsere Studierenden und ich begegnen dem, indem die fortlaufende Transformation unserer Technikinfrastruktur durch unsere eigene Art des Maschinenbauens, und unter Nutzung der entsprechenden Simulationsdisziplinen, mitgestaltet wird.

«Die konstruktionsbegleitende Simulation ist ein zentrales Element bei der Entwicklung nachhaltiger und umweltfreundlicher Lösungen.»

Prof. Dr. Klaus Günzel

 

Wie könnten Studierende in diesem Bereich einen Beitrag leisten?

Ich denke an einen akademischen Ansatz, den ich Conscious Engineering nenne. Unsere Studierenden kommen dabei in diesem Forschungs- und Lehrkonzept als Akteure dazu. Sie, die zumeist der Generation Z angehören, bringen Ihre Sicht hinsichtlich der Anforderungen an die moderne und umweltfreundliche Produktwelt ein, während ich meine Erfahrungswerte aus den letzten zwei Jahrzehnten bezüglich industrieller Innovationsprozesse mit ihnen teile.

Gemeinsam schmieden wir im Rahmen dieses Syntheseprozesses Pläne, so meine Vorstellung. Diese sollen auch Technikfolgeabschätzungen integrieren, um ein tieferes Verständnis für die Auswirkungen des Wirtschaftswachstums auf den geteilten Lebensraum für Mensch und Tier zu fördern.
Ich finde, dass das Konzept des Decoupling hierfür genutzt werden sollte, natürlich immer inklusive der Betrachtung aller möglichen Folgen. Der so genannte grüne Stahl ist aus meiner Sicht eine solche spannende Technologie.

Außerdem denke ich, dass unsere Studierenden durch ihre Studien- und Abschlussarbeiten einen wesentlichen Beitrag zur Forschung leisten können.

Zusammengefasst gibt es also vielfältige Möglichkeiten und Chancen für die Studierenden, um aktiv zur nachhaltigen Technikentwicklung beizutragen – und die Simulation hilft ihnen dabei, richtig?

Genau, in meiner Rolle als Professor möchte ich die Vision einer nachhaltigen Technikentwicklung fördern und die Studierenden dazu ermutigen, aktiv an der Gestaltung einer umweltfreundlicheren Zukunft mitzuwirken. Mir ist beispielsweise bewusst, dass die allermeisten aktuellen Industrieprodukte ohne Erdölprodukte nicht fertigbar wären. Ich sehe jedoch in meiner Rolle die Chance, in diesem Bereich das Visionäre gemeinsam mit den Studierenden zu leben, so dass diese sich bestärkt fühlen, die für eine nachhaltigere Technik nötigen Schritte selbst zu gehen.

Die Integration von Simulationsmodulen in das Studium hilft ihnen dabei, diese Schritte zu gehen, ihre Ziele zu erreichen und einen positiven Einfluss in der Industrie auszuüben.

 

Prof. Günzel, vielen Dank für das Interview.

Prof. Dr. Klaus Günzel –  Seine Ziele im Fokus der Lehrtätigkeit:

  • Eine sehr gute Lehre im Bereich der Simulation sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudium, die sich inhaltlich aus Erfahrungen und Forschungsaktivitäten speist und sich zudem den Fragestellungen der Energiewende widmet
  • Forschungsarbeiten im Bereich der simulationsgestützten Geräteentwicklung auf selbstorganisierter Drittmittelbasis
  • Die Förderung von Frauen in der Technik
  • Die Förderung von Diversität
  • Die regionale Maschinenbauindustrie durch Kooperationen stärken
  • Ein umweltfreundlicher Maschinenbau, der fest in der Gesellschaft verankert ist und einen breiten Nutzen bringt